Von der Seifenkiste herab: [Adventskalender 15] Interview mit Carsten Damm zu Slayers (Pro Indie)
Pünktlich zur Auslieferung der Slayers-Bücher habe ich mir Dammi geschnappt und ihn gebeten ein paar Fragen zu beantworten…
… zu Slayers, zu Pro Indie, zum Leben und dem ganzen Rest. Nach dem Motto „Nitt labern – agieren!“ gehen wir schmucklos direkt mittenrein!
- Slayers? Was ist das überhaupt?
Slayers hat eine sehr einfache Prämisse: Es geht in erster Linie darum, Monster zu jagen. Die vier Charakterklassen sind genau darauf spezialisiert, jede auf ihre eigene Weise. Das System ist deswegen so interessant, weil es mit der Würfelmechanik spielt: Die Grundregeln sind zwar gleich, aber jeder Klasse verwendet sie anders. Diese Asymmetrie macht eine Menge Spaß, nicht zuletzt, weil die Klassen gut aufeinander abgestimmt sind. Mir gefällt insbesondere der Taktiker, weil er seinem Namen wirklich gerecht wird.
Das Ganze spielt in einer endlosen Stadt, mit vielen verschiedenen Stadtteilen, die alle ihr eigenes Flair mitbringen. Gut, das Setting ist letztlich nur ein Hilfsmittel, um die Schauplätze abwechslungsreich, kurzweilig und leicht erweiterbar zu halten – aber genau das funktioniert sehr gut im Zusammenspiel mit dem relativ engen Fokus von Slayers. Adrenalingeladenes
Monsterklatschen: einfach, schnell, taktisch – hoher Spaßfaktor. Was will man mehr? - Erzähl doch mal bitte was hinter so einem Crowdfunding steckt. Was musst du da alles machen und beachten?
Slayers ist das zehnte Crowdfunding, das ich gemacht habe, inzwischen steckt da schon etwas Routine drin. Seit Slayers habe ich bei Kickstarter ein neues Badge im Profil: „Unterstützer-Favorit“.
Kannte ich vorher nicht, hat mich aber gefreut. Ich muss also irgendwas richtig machen.
Aber zum Thema: Das steckt schon einiges an Arbeit drin. Im Vorfeld steht die Kalkulation, bei der man immer etwas in die Glaskugel schauen muss, weil zwischen Kalkulation und tatsächlichen Angeboten Monate vergehen können. Auch wenn die Rollenspiel-Landschaft durch Crowdfundings förmlich explodiert ist, sind die Sachen die wir machen, finanziell immer kleine Zitterpartien. Man muss das ganze so kalkulieren, dass man auch mit relativ wenigen Unterstützenden zum Ziel kommt und am Ende zumindest die Kosten gedeckt sind. „1000 Frisuren für deinen D&D-Charakter“ bringt dir in den USA ohne große Mühe viel Geld ein. Hierzulande geht das nicht, weil die Szene viel kleiner ist und ganz andere Interessen hat.
Dann die Kampagne selber – es müssen Texte und Bilder her, um das Spiel vorzustellen und zu präsentieren. Da geht einiges an Zeit drauf. Ich gehöre zu den Leuten, die sich die Crowdfunding-Videos eher nicht anschauen, insofern versuche ich mich eher darum zu drücken, welche zu machen – das steigert den Zeitaufwand nochmal immens. In vergangenen Crowdfundings sind aber trotzdem einige Videos entstanden. (Ich frage mich gerade, warum wir für Slayers keins gemacht haben – da hatten wir eigentlich die richtigen Leute dabei und alle Voraussetzungen dafür.)
Tja, und wenn es dann ans Ausliefern geht, stehe ich einige Tage am Esstisch und mache zweihundert Bücher versandfertig. Diesmal sogar mit begeisterter Hilfe meiner Tochter. In unserer Postfiliale darf ich inzwischen den Hintereingang benutzen. - Hossa! Bist du zufrieden wie es bei Slayers ablief?
Ich glaube, Slayers war bisher das erfolgreichste Crowdfunding von Pro Indie. Völlig unerwartet, übrigens, ich hätte nicht gedacht das das Spiel solchen Anklang findet. Dadurch wurde es dann während des Crowdfundings etwas chaotisch, weil wir keine Stretchgoals geplant hatten und diese dann nachgelegt haben. Sprich, ich habe dann spontan neue Pledgelevels dazu gepackt und dann mussten die Unterstützenden auch erstmal mitbekommen das sie bei Interesse wechseln müssen … und dann gabs genau an der Stelle technische Probleme im Kickstarter (die sich dankenswerterweise von selbst gelöst haben). Da hätte ich mit mehr Planung vieles anders gemacht, aber wenn der Crowdfunding-Zug erstmal fährt, ist das eine ziemliche Einbahnstraße. - Pro-Indie liefert traditionell sehr schnell nach Ende. Wie funktioniert das?
Das hat zwei Gründe. Zum einen bin ich beruflich Projektmanager – zwar in einem anderen Bereich, aber Projekte sind Projekte, und ich mache das halt nicht erst seit gestern. Und zum anderen ist ProIndie eine reine Freizeitveranstaltung. Keiner der Beteiligten ist finanziell auf Pro Indie angewiesen, und wir wollen uns – trotz des ganzen Idealismus – auch nicht in den Ruin treiben. Wir gehen daher mit jedem Projekt in Vorleistung und kalkulieren konservativ und ohne Gewinnabsicht. (Damit man das Einordnen kann: An Slayers werden wir – trotz des großen Erfolges – am Ende etwa 80€ Gewinn machen. Aktuell sind wir noch nicht sicher, ob wir das wirklich alles auf einmal auf den Kopf hauen sollen.)
Das jeweilige Spiel steht daher immer im Vordergrund und das allem übergeordnete Ziel ist, die beste Version davon zu produzieren, die unter den gegebenen Umständen möglich ist. Unsere Crowdfundings starten erst, wenn ich hundertprozentig sicher bin, das ich die auch ausliefern kann.
Etwas Risiko ist immer dabei, aber das reduziert sich auf externe Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. Die kreative und inhaltliche Arbeit ist getan, wenn es mit der Finanzierung losgeht – alles was dann noch folgt, sind Organisation und Management. Projekte, die erst nach dem Funding mit der Entwicklung anfangen und dann jahrelang vor sich hindümpeln, bis der Creator merkt das die Kohle alle ist gibt’s genug – da will ich nicht dazu gehören. - Zurück zu Slayers. Wird es da weitere Produkte geben oder ist das ein Stand-alone-Ding?
Wir haben drei Erweiterungen geplant, die jetzt im Crowdfunding völlig spontan noch als Stretchgoals mitfinanziert wurden: Dust (ein erweitertes Western-Setting), der Slayers Almanach (mit zehn weiteren Stadtteilen) und das Creators Kit (eigentlich ein Spielleitungs-Handbuch, vom Umfang her). Das ist so ziemlich alles, was es an offiziellem Material gibt. Die Hefte kommen in den nächsten Monaten raus. - Wird das System weiter (vielleicht online) unterstützt werden oder ist das mit dem Regelwerk gegessen?
Mit dem Creators Kit ist das System offen für Beiträge aus der Community. Das Creators Kit und die damit einhergehende Third-Party-Lizenz wird der Community frei zur Verfügung stehen. Ich bin sehr gespannt, ob und was da an Material zusammenkommt. Der Plan ist jedenfalls, solches Material auf der Pro Indie-Webseite zu sammeln, so dass jeder daran teilhaben kann. - In letzter Zeit kamen ja mit Everyone is John und dem Elektrum Archiv undergroundigere Sachen etwas überraschend auf den Markt und ich bin alt und geistig unbeweglich – ist für 2025 schon etwas geplant, auf das ich
mich einstellen könnte?
Gibt’s bei Pro Indie etwas, was nicht „undergroundig“ ist? Klär mich auf!
Ausgabe 2 vom Elektrum Archiv folgt auf jeden Fall im nächsten Jahr, darin sind auch zwei größere Abenteuer enthalten. Neon City Overdrive ist geplant (die Übersetzung ist auch schon so gut wie fertig, das Layout steht demnächst an). Klar, die oben erwähnten Slayers Erweiterungen, ein Abenteuer für Against the Darkmaster, und einen dicken Setting-Band für alle Punisher- und Iron Age-Comic Fans: Extreme Earth von Jon Gibbons und Joe Bardales. Ich arbeite aktuell an Dungeon Blitz, einem Solo-Dungeon-Crawler. Gleichzeitig bin ich dabei, unsere Flyer-Spiele-Reihe auszubauen. Ich habe auch noch einige Eigenentwicklungen in der Schublade, die ich immer irgendwie hintenanstelle (nach Heist hatte ich z.B. noch eine True Crime-Variante geplant, und in Sachen Equinox sind wir auch schon seit einigen Monaten wieder unterwegs). Im Team gibt’s jedenfalls auch die eine oder andere Idee, die wir gemeinsam verfolgen. Schaun wir mal. - Ich finde eigentlich euer ganzes Portfolio irgendwie interessant – gibt es ein System, was so richtig durch die Decke gehst oder auch eins was etwas… äh…
underperformed?
Fiasko ist mit Sicherheit das erfolgreichste Spiel aus unserem Katalog, sowohl die Buch- als auch die Kartenvariante. Dicht gefolgt von Itras By, das 2019 ja noch den Deutschen Rollenspielpreis abgestaubt hat. Die beiden sind wirklich beliebt vor allem bei unseren Kundinnen – was mich wirklich freut, zumal das Hobby ja lange Zeit eher männlich dominiert war.
Der Underperformer schlechthin ist Conspire. Ich bin nicht mal sicher warum, vielleicht weil „Verschwörungstheorien“ bei vielen ein Reizwort ist und ich beim Coverdesign vielleicht etwas zu dick aufgetragen hab, was das angeht? Dabei ist das Spielkonzept (eine Art Werwölfe-vom- Düsterwald-als Rollenspiel) ziemlich abgefahren und macht wirklich Laune. Aber hey, vielleicht am Ende doch zu speziell?
Dazwischen ist eine ganze Menge Zeug, das sich beständig verkauft – den Pro Indie-Katalog zeichnet aus, dass für jeden etwas dabei ist. Das merkt man dann an den Verkäufen oder auf der Spiel in Essen: Da geht immer von allem etwas weg, ohne größere Ausreißer. - Wenn du dir ein großes System ans Revers heften könntest – welches würdest du dir sofort krallen und, warum ist es D&D?
Hah, wir spielen tatsächlich grade D&D. Ich musste erst 50 werden, damit das mal auf den Tisch kommt. Ich hatte bisher mit allen Versionen so meine Probleme, und jegliche Versuche, damit etwas zu spielen sind irgendwie gescheitert. Mit der 2024er Version hat es aber an gleich mehreren Stellen
geklickt.
Ans Revers geheftet hatte ich mir einst Earthdawn, damit habe ich Jahrzehnte verbracht, sowohl privat als auch offiziell als Lead- und Line-Developer. Das war spannend und lehrreich, aber ich habe keine Ahnung, ob ich wirklich nochmal ein so großes Spiel offiziell betreuen wollen würde.
Was ich privat absolut großartig finde, ist die PbtA-Umsetzung von Kult – bei Divinity Lost stimmt so ziemlich alles: vom Systemdesign über die Adaption des Settings bis hin zum Layout und der Produktionsqualität. Ich habe selten so viel Spaß mit einem System gehabt wie mit dem, was mich insbesondere bei einem so schwierigen Genre und Setting … doch sehr überrascht hat. Wir spielen das seit Erscheinen, mit wachsender Begeisterung. - Was möchtest du der Seifenkisten-Posse in dieser besinnlichen Zeit mit auf den Weg geben?
Spielt, spielt, spielt – das Leben ist kurz!